Eine Kirche ohne Ecken und Kanten
Der Monte Celio (dt.: Caelius) ist einer der sieben Hügel Roms und liegt südöstlich des Palatins. Im Osten reicht er bis zum Lateran, und neben Santo Stefano Rotondo finden sich hier noch weitere bedeutende Kirchen.
Eine Kirche ohne Ecken und Kanten
Bauuntersuchung an der Kirche Santo Stefano Rotondo in Rom
Santo Stefano Rotondo located on Monte Celio in Rome is one of the city’s oldest churches. Its monumental size and circular shape set it apart from other Christian churches. In the 1980s, Professor Hugo Brandenburg and Dr. Sebastian Storz initiated an architectural-archaeological investigation of the historic building. The project aimed at researching the original shape and interior of the church and laid the groundwork for its restoration and conservation. During the course of the project, the scholars revealed an antique marble floor, were able to produce evidence that the building used to have a dome of clay pipes and gained new insights into who built and who consecrated the church. Thanks to the investigation and the restoration, today Santo Stefano Rotondo is open to the public again.
Eine der ältesten Kirchen in Rom ist sowohl aufgrund ihrer runden Bauform als auch ihrer Ausmaße ungewöhnlich. Santo Stefano Rotondo, wie die Kirche ihrer kreisrunden Gestalt wegen genannt wird, liegt auf dem Monte Celio, einem Hügel, der in der Antike vornehmlich von römischen Adelsfamilien bewohnt wurde. Die Kirche wurde im fünften Jahrhundert errichtet und von Papst Simplicius (468–483) geweiht. Doch wer war der Bauherr dieses monumentalen Kirchenbaues in privilegierter Lage?
In den 1980er Jahren begann Prof. Dr. Hugo Brandenburg, ein Experte für Kirchenbauten des frühen Christentums, zusammen mit Dr.-Ing. Sebastian Storz mit einer wissenschaftlichen Untersuchung des BausIm Zentrum stand die Frage, welche archäologischen Erkenntnisse über die unterschiedlichen Bauphasen aus dem historischen Bestand gewonnen werden können.. Die seit ihrer Erbauung mehrfach veränderte und verkleinerte Kirche befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem baufälligen Zustand. Umso wichtiger erschien daher die Frage, welche archäologischen Erkenntnisse über die unterschiedlichen Bauphasen aus dem historischen Bestand gewonnen werden können. Um die ursprüngliche Gestalt und Ausstattung zu rekonstruieren, zielte das Forschungsprojekt auf eine architektonisch-archäologische Bauuntersuchung des Gebäudes mit Grabungen im Innern und außerhalb der Kirche. Die Durchführung geschah in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung an der Technischen Universität Karlsruhe sowie der italienischen Denkmalpflege und wurde finanziert vom Deutschen Archäologischen Institut Rom/Berlin, der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Fritz Thyssen Stiftung und der Gerda Henkel Stiftung.
Die Kirche weist architektonische Eigenschaften auf, die für einen Kirchenbau völlig ungewöhnlich sind. Daher vermutete man schon seit der Renaissance, dass hier in frühchristlicher Zeit ein vormals anderer Ort zu einer Kirche umfunktioniert worden sei. Doch wie die Untersuchung deutlich gemacht hat, wurde das Gebäude als Kirche zu Ehren des ersten der Märtyrer, Heiliger Stephanus, errichtet, dessen Verehrung sich zu Beginn des fünften Jahrhunderts im römischen Reich verbreitete.
Der Monumentalität des Baues entsprach auch seine kostbare Ausstattung, die die Untersuchungen in großen Teilen wieder erschließen konnten. Bevor ein neuer Fußboden verlegt wurde, konnten Professor Brandenburg und Dr. Storz an verschiedenen Stellen der Kirche die Reste des antiken Bodens sorgfältig untersuchen. Die Ergebnisse waren überraschend. So entdeckten sie in dem erhaltenen Kreuzarm ein großflächig ausgelegtes Paviment, das in Resten mit großen, kostbaren Platten aus Buntmarmor bestückt war. Eine maßgerechte zeichnerische Aufnahme der Fragmente diente der italienischen Denkmalpflege als Vorlage für die Restaurierung des Mamorfußbodens. In der gleichen Weise wurde in anderen Bereichen der Kirche verfahren.
Weitere Untersuchungen haben wichtige Daten für die Rekonstruktion des ursprünglichen Baugefüges und seiner Datierung erbracht. So war der Ansatz eines Gewölbes aus Tonröhren in der bisherigen Forschung nicht als solcher erkannt worden. Funde solcher Tonröhren im Zentrum des Baues unter dem zerstörten neuzeitlichen Fußboden sowie weitere an der Baustruktur ablesbare Indizien führten die Forscher zu dem Schluss, dass auch der Tambour von einer Tonröhrenkuppel überdeckt war.
Ein experimenteller Nachbau der Tonröhrenkuppel in einem exemplarischen Ausschnitt bestätigte die Ausführbarkeit, und ein statisches Gutachten brachte den Nachweis, dass sie trotz der beträchtlichen Spannweite von rund 23 Metern die erforderliche Standfestigkeit besessen hätte.
Doch wann genau wurde die Kirche erbaut? Eine dendrochronologische Untersuchung von Bauhölzern aus dem Dachgefüge ergab ein Datum um das Jahr 460Nur der Kaiser konnte über ein solches, dem Fiscus gehörendes Grundstück in exponierter Lage verfügen.. Dieses Datum wurde durch den Fund einer Münze des Kaisers Libius Severus (361–365) in der Ausgrabung einer Fundamentgrube der Kirche bestätigt. Auch der Bauherr lässt sich erschließen: Die Tatsache, dass die Kirche auf staatlichem Grund und Boden über einer aufgelassenen Kaserne errichtet wurde, macht es sicher, dass ein Kaiser der Stifter dieses Baues war, denn nur er konnte über Grundstücke in exponierter Lage verfügen. Die Forscher führte dies zu folgender Annahme: Die Planung der Kirche ist unter Papst Leo dem Großen (440–461) und die Bereitstellung der finanziellen Mittel sowie des kostbaren Baumaterials durch Kaiser Maioran (457–461) anzusetzen. Unter dem Kaiser Libius Severus (461–465) wurde die Kirche dann errichtet und unter Papst Simplicius (468–483) schließlich geweiht.
Die mit Hilfe der Stiftung durchgeführte archäologische Bauuntersuchung der Universität Münster und die auf ihren Ergebnissen fußenden Restaurierungen der italienischen Denkmalpflege haben in Santo Stefano Rotondo in Rom ein einzigartiges Baudenkmal in seiner Gestalt wiedergewinnen und in seinem Bestand erhalten können. So wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Kirche, die in der Obhut des Päpstlichen Deutschen Priesterseminars in Rom steht, seit einigen Jahren wieder den Besuchern zugänglich ist.
Projekttitel | Bauuntersuchung an der Kirche Santo Stefano Rotondo in Rom |
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Projektleitung | Prof. a.D. Dr. Dr. h. c. Hugo Brandenburg |
Institution | Universität Münster |
Fachbereich | Archäologie |
Karte | |
Prof. a.D. Dr. Dr. h. c. Hugo Brandenburg | |
Dr.-Ing. Sebastian Storz |