GHS: Welche neuen Erkenntnisse über die Besiedlung der Halbinsel hat ihre Forschung zutage gebracht?
Prof„Es lassen sich verschiedene ,Funktionslandschaften' differenzieren, etwa für Sakralorte oder für Produktionsstätten.“. Lang / Prof. Funke: Auf der Plaghiá-Halbinsel wurde eine andere Fragestellung verfolgt, die den ganzheitlichen und landschaftsarchäologischen Ansatz unseres Projektes begründet. Das Ziel einer flächendeckenden Prospektion der Plaghiá-Halbinsel war es, Aussagen über Struktur und Entwicklung dieser Landschaft zu rekonstruieren und diese Landschaft in Bezug zu den umliegenden Regionen (Leukas, Epirus) zu setzen.
Aufgrund der Ergebnisse unserer Forschungen lassen sich strukturelle Tendenzen in der Besiedlung der Plaghiá-Halbinsel unter drei verschiedenen Aspekten beschreiben. Erstens lässt sich zeigen, dass die Mehrheit der Fundorte, die über die gesamte Halbinsel verteilt sind, nur einer Phase zuzuordnen ist, und dies gilt für alle Epochen. Demgegenüber gibt es nur wenige Orte, die mehr als vier Phasen aufweisen. Diesen Orten können wir deshalb eine bevorzugte Wohnlage attestieren.
Zweitens konnten wir über die Siedlungsstruktur einen guten Überblick gewinnen. Für die klassisch-hellenistische Epoche lassen sich zwei antike Städte jeweils im Osten und Westen der Halbinsel ausmachen, zwischen denen vor allem Gehöfte und einige Dörfer angesiedelt wurden. Vermutlich übernahmen beide Orte für die umliegenden Stätten eine zentrale Funktion, wodurch sich Ortshierarchien herausbildeten. Anders dagegen sind die Strukturen etwa in byzantinischer Zeit. Hier sind keine klar erkennbaren großen Orte anzutreffen, so dass man von eher ausgewogeneren Siedlungshierarchien ausgehen kann. Unter dieser Fragestellung sind auf synchroner wie auch diachroner Ebene die Stadt-Umland-Beziehungen zu beschreiben sowie die Dichte anthropogen genutzter Plätze festzustellen.
Drittens lassen sich durch Funktionsbestimmungen der Orte verschiedene „Funktionslandschaften“ differenzieren, etwa für Sakralorte oder für Produktionsstätten. Besonders interessant ist hierbei festzustellen, dass sich Orte mit Wehrbauten vor allem auf der Südhälfte der Plaghiá-Halbinsel konzentrierten; ein Phänomen, für das noch keine abschließende Begründung zu geben ist.
GHS: Das Projekt zielte auf naturräumliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte ab. Welche Fachdisziplinen waren daran beteiligt?
Prof. Lang / Prof. Funke: Landschaftsarchäologische Forschungen können unserem Selbstverständnis nach nur interdisziplinär durchgeführt werden. In unserem Team waren die Disziplinen Alte Geschichte, Archäologie, Bauforschung sowie Geoarchäologie, Archäobotanik und Siedlungsgeographie vertreten, so dass neben den archäologisch-historischen Forschungen z.B. auch die Bereiche Wegesysteme, Wüstungsforschung, Vegetationsgeschichte, Palaioumwelt aber auch osmanische Steuerlisten untersucht wurden. Dadurch war die Voraussetzung für eine ganzheitliche Erforschung der Plaghiá-Halbinsel gegeben.
GHS: Wie verlief bei dieser Spannbreite der interdisziplinäre Austausch?
Prof. Lang / Prof. Funke: Neben regelmäßigen Arbeitstreffen, bei denen der jeweilige Forschungsstand präsentiert und seine Bedeutung für das Gesamtprojekt diskutiert wurde, war der direkte Austausch vor Ort besonders wichtig, da sich viele Fragen nur im konkreten naturräumlichen Kontext beantworten ließen. Das gemeinsame Publizieren war dann eine logische Konsequenz.
GHS: Das Projekt war eines der ersten, das in diesem Umfang und ohne Fokus auf eine bestimmte Epoche die Landschaft untersuchte. Was sind die Vor- und Nachteile dieses Ansatzes?
Prof. Lang / Prof. Funke: Der Vorteil, sich auf keine bestimmte Epoche zu fokussieren, erlaubt es, den Wandel in einer Landschaft nachvollzuziehen. Dadurch lässt sich aufzeigen, inwieweit die verschiedenen Epochen strukturell ähnlich oder divergent waren. Gründe für strukturelle Kon- oder Divergenzen sind vielfältig und lassen sich etwa mit politischen, sozialen oder natürlichen Gegebenheiten erklären. Erst ein diachroner Ansatz kann Anhaltspunkte für Kontinuität oder Wandel liefern. Es hat sich auch gezeigt, dass eine zeitlich breite Herangehensweise stärker neue Entwicklungen in Arbeitstechnik und Analysemethoden erfordert.
Nachteil – wenn man es denn als Nachteil bezeichnen möchte – eines epochenübergreifenden landschaftsarchäologischen Projektes ist, dass mehr Spezialisten benötigt werden, die für die Bearbeitung der epochenspezifischen Charakteristika einzusetzen sind. Aber die heutigen, vielfach erprobten und eingeübten Formen interdisziplinärer Zusammenarbeit ermöglichen es, diese Schwierigkeiten zu meistern. Die durch den höheren Personaleinsatz bedingten Mehrkosten zahlen sich jedenfalls aus: die Bearbeitungszeiten sind geringer und die erzielten Ergebnisse sind aussagekräftiger.
GHS: Hat diese Methode „Schule gemacht“?
Prof. Lang / Prof. Funke: Wir möchten ungern von „Schule machen“ sprechen. Aber es steht außer Frage, dass unsere Arbeitsmethoden und -techniken, die wir im ständigen Austausch mit Kollegen*innen anderer vergleichbarer Feldforschungsprojekte entwickeln und verfeinern konnten, durchaus vorbildhaft geworden sind.
GHS: Wie war der Kontakt zur Stiftung und wie haben Sie die Zusammenarbeit während der Förderzeit erlebt?
Prof. Lang / Prof. Funke: Die Forschungsförderung der Gerda Henkel Stiftung umfasst nicht nur die fachliche Seite, sondern sticht auch durch eine hervorragende Betreuung auf der administrativ-organisatorischen Ebene der Projekte hervor.
Aufgrund ihrer besonderen Organisationsstruktur, bei der die Gerda Henkel Stiftung die Idee der „kurzen Wege“ verfolgt, werden bei veränderten oder unvorhergesehenen neuen Arbeitsbedingungen entsprechende Entscheidungen umstandslos und rasch gefällt. Ebenso gestaltet sich die Finanzabwicklung erfreulich flexibel und unbürokratisch. All dies geschieht in angenehmer und freundlicher Atmosphäre und bei hoher Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die anscheinend alle Projekte im Detail kennen.
Literatur:
F. Lang – E.-L. Schwandner – P. Funke – L. Kolonas – K. Freitag, Das Surveyprojekt auf der Plaghiá-Halbinsel 2000–2002, in: AA 2007, 97-178.